Startup-Feeling im 100-jährigen Traditionsunternehmen

Kettenhersteller und ArcelorMittal Hamburg-Kunde Röttgers verjüngt sich


In Zusammenarbeit mit einem Partnerunternehmen entwickelte Röttgers eine der modernsten Kettenproduktionsanlagen der Welt.

Loyalität, Korrektheit und ein offenes Ohr für alle – das sind die Prinzipien, die dem Geschäftsführer des gleichnamigen Herstellers für Rundstahlketten am wichtigsten sind. Die traditionellen Werte spiegeln die lange Geschichte des nordrhein-westfälischen Unternehmens wider. Seit 2019 stellt Röttgers Güteketten am Standort in Iserlohn her – und trotzdem fühlen sich die Mitarbeiter*innen manchmal wie in einem jungen Startup.

„Wir haben uns in den letzten Jahren völlig neu erfunden“, erklärt Geschäftsführer Max Röttgers. Seit er 2012 als Produktionsleiter in den Familienbetrieb eingestiegen ist, hat sich die Anzahl der Mitarbeitenden verdoppelt. Nach seinem Eintritt in die Geschäftsführung 2018 allein von 70 auf 100 Beschäftigte. Jetzt müssen auch die Strukturen nachwachsen.

Seit 2014 stehen umfassende Modernisierungsmaßnahmen auf dem Plan. Bis heute hat der Mittelständer über vier Millionen Euro investiert. Dabei nutzt Röttgers Synergieeffekte: Gemeinsam mit einem Partnerunternehmen aus Süddeutschland entwickelte der Kettenhersteller eine der weltweit modernsten Kettenfertigungslinien. „Technologie ist ein Zugpferd für neue Mitarbeitende“, weiß der Geschäftsführer in vierter Generation.

Röttgers steht, wie viele Industrieunternehmen, vor der großen Aufgabe, qualifiziertes Fachpersonal zu finden. „Maschinen und Technik kann man kaufen, Expert*innen nicht. Passendes Personal muss man erst einmal finden und entsprechend fördern.“ Auch die Altersstruktur der Branche hat einen Einfluss, wie Röttgers aus eigener Erfahrung weiß. Viele Mitarbeiter*innen sind in den letzten Jahren in den Ruhestand gegangen. „Wir haben das Durchschnittsalter unserer Führungskräfte von 58 auf 41 Jahre gesenkt, unsere Auszubildenden übernehmen vereinzelt Management-Verantwortung für neue Produktlinien und Untermarken und Abteilungsleiter werden schon einmal von ihren Kindern beerbt“, fasst Röttgers die personellen Umstrukturierungen der letzten Jahre zusammen.

Dieser Weg ist anfangs nicht immer auf Begeisterung gestoßen – doch Max Röttgers bereut keine seiner Entscheidungen und findet auch unkonventionelle Lösungen: Um neue Strukturen zu schaffen und die neuen Mitarbeiter*innen tatkräftig zu unterstützen, stellte er erst kürzlich einen neuen technischen Leiter ein, der einiges an Erfahrung mitbringt: Der 62-Jährige war Geschäftsführer eines erfolgreichen Federn-Produzenten und musste sein Unternehmen mangels Nachfolge verkaufen. Zwei Jahre steht er nun dem Hersteller von Förderketten, Schlachthausketten, Anschlagketten, Pumpenketten, Hebezeugketten, Ankerketten, Schlossketten sowie Ketten für Spielplätze mit seinem Know-how zur Seite.

„Unserem jungen Führungsteam fehlt es in manchen Punkten an Erfahrung, aber das gleichen wir durch Engagement, Ehrgeiz und Motivation aus“, sagt der 34-jährige Geschäftsführer, der selbst Paradebeispiel für die Verjüngung der Unternehmensstruktur ist. Dabei spielt das Thema Wertschätzung eine zentrale Rolle: Zufriedene Mitarbeiter*innen haben mehr Spaß an der Arbeit, sind motivierter und bleiben länger im Unternehmen. Das gegenseitige Vertrauen wächst und auch die Produktivität steigt. Als gelernter Werkzeugmechaniker weiß Max Röttgers zudem ganz genau, wie anstrengend Schichtarbeit und Produktionsalltag sind und hat einen ganz anderen Bezug zu seinen Beschäftigten.

Aufgrund des enormen Wachstums der letzten Jahre ist Röttgers vor einem Jahr zum ArcelorMittal-Kunden geworden. Zuvor hat das Unternehmen Vorprodukte über einen Drahtzieher bezogen. „Wir haben einen sehr guten Kontakt zu unserem Ansprechpartner und das Verhältnis ist beinahe freundschaftlich – und dabei stets kompetent und konstruktiv“, sagt Röttgers.

Derzeit arbeitet der Mittelständer an der Entwicklung neuer, leichterer Werkstoffe, die bei gleicher Traglast weniger Materialeinsatz erfordern. Das spart Energie und Emissionen bei der Herstellung. Auch der für 2022 geplante Umzug an einen neuen Standort in Iserlohn trägt zu einer besseren CO2-Bilanz bei: Die bessere Energieeffizienz der neuen Immobilie senkt die Heizkosten um mehr als 50 Prozent. Gleichzeitig verdoppelt sich die Produktionsgröße.

Max Röttgers hat in seiner Zeit als Geschäftsführer bereits einige Veränderungen angestoßen. Dabei hat er seine Vision stets im Blick: Er möchte ein Unternehmen aufbauen, in dem sich alle wohlfühlen – Mitarbeitende, Kunden und Lieferanten ganz im Sinne des Startup-Spirits.