Was passiert auf der „weißen Seite“ unserer Kokerei?

Auf dem ersten Blick besteht der Anlagenbereich der Gasproduktion aus unzähligen, farblich verschieden gekennzeichneten Rohrleitungen und Behältern. Die farbliche Kennzeichnung der Leitungen ist wichtig und gibt Hinweis darauf, welches Medium sich darin befindet.


Das Überschussgas für den Verkauf wird in die Gasfabrik geleitet. Das Gas wird mit Gasschraubenverdichtern komprimiert, auf einen höheren Druck gebracht, feingereinigt und über über eine Tiefkühlanlage getrocknet in die Gaspipeline zum Verkauf geleitet.

Gelb steht beispielsweise für das Kokereigas und grün für Wasser. Als Laie verliert man schnell den Überblick. Daher ist es erforderlich, dass sich innerhalb dieses Bereiches nur Fachpersonal aufhält und Tätigkeiten ausführt. Die ausgebildeten Facharbeiter*innen wissen genau, wann welcher Schieber bewegt wird und wie der Prozess abläuft. Tätigkeiten finden nur in Absprache mit den zuständigen Schichtmeistern und den Leitstand-Mitarbeiter*innen statt, welche im ständigen Funkkontakt stehen.

Grob lässt sich die chemische Fabrik in die Kohlenwertstoffanlage (KWA) und die Gasfabrik unterteilen.

Kohlenwertstoffanlage

Bei der Verkokung von Steinkohlen in den Batterien werden flüchtige Bestandteile, die in der Kohle enthalten sind, gasförmig ausgetrieben. Die Gase sammeln sich in der sogenannten Gasvorlage, einer großen Rohrleitung, die entlang der drei Koksofenbatterien verläuft. In der Gasvorlage werden die ca. 800 °C heißen Gase mit Wasser benetzt und auf ca. 100 °C abgekühlt. Anschließend wird das Gas über Stichleitungen zu den Gasvorkühlern gesaugt und dort weiter auf rund 20 °C abgekühlt. In verschiedenen Produktionsschritten wird das Kühlwasser von dem entstandenen Rohteer getrennt. Das geschieht in den Teerabscheidern. Der Teer wird in einem Hochbehälter gelagert, über eine Verladeeinrichtung in Tankwagen geladen und zu industriellen Abnehmern gefahren. Von ihnen wird er z. B. für die Farb- und Lackindustrie weiterverarbeitet.

Ein weiterer Kohlenwertstoff ist das Rohbenzol. Dieses wird in einem Wascher (zylindrischer Behälter) mit einem Waschmedium aus dem Gas ausgewaschen. Das Benzol wird von unserem Kunden abgeholt und weiter in verschiedene Bestandteile aufgespalten. Benzol ist der Ausgangsstoff für viele Produkte des täglichen Bedarfs, wie zum Beispiel Phenolharze für Leiterplatinen in Smartphones und Computern.

Ein mittlerweile sehr gefragtes Produkt ist zudem Ammoniumsulfat, welches als schwefelhaltiges Düngemittel in der Agrarwirtschaft genutzt wird. Dieses wird ebenfalls auf der Kokerei hergestellt. Hierzu wird aus dem Gas eine Schwefelsäure produziert. In einem chemischen Prozess mit der Verbindung Ammoniak, auch Bestandteil des Kokereigases, entsteht schließlich das Ammoniumsulfat.

Gasfabrik

Das Überschussgas für den Verkauf wird in die Gasfabrik geleitet. Das Gas wird mit Gasschraubenverdichtern komprimiert, auf einen höheren Druck gebracht, feingereinigt und über eine Tiefkühlanlage getrocknet in die Gaspipeline zum Verkauf geleitet. In schwachen Abnahmezeiten oder wie aktuell bei einer aufwendigen Reparatur der externen Pipeline, muss das Gas über eine Bodenfackel und/oder die Hochfackel abgefackelt werden.

In dem gesamten chemischen Bereich wird Wasser genutzt, um das Gas abzukühlen. Das aufgewärmte Wasser wird wiederum in Ventilatorkühltürmen, einem Rückkühlwerk oder Wärmetauschern wieder abgekühlt und im Kreislauf zu neuen Kühlzwecken eingesetzt. Da ein Teil des Wassers auch Gasberührung hat, kann es nicht mehr verwendet werden und wird als Abwasser abgeleitet. Bevor das geschieht, muss das Wasser jedoch in der Prozessabwasseranlage gereinigt werden.

Die Prozesse auf der Kokerei unterliegen sehr hohen Auflagen. Aufgrund großer Mengen an Gefahrstoffen werden Teilbereiche der Anlage nach Störfallverordnung behandelt. Um alle Auflagen einzuhalten, wird ein sehr hoher Wartungsaufwand betrieben. Zusätzlich werden kontinuierlich Investitionen getätigt, um die Anlagen auf dem neuesten umweltschutztechnischen Stand zu halten.