Hamburg: Wasserstoff-Projekt mit konkreter Planung

Die Vision vom grünen Stahl wird jeden Tag ein Stück greifbarer: Wer Industrieanlagen plant, braucht einen langen Atem – vor allem dann, wenn es um eine komplett neue Technologie geht. Die Erfahrung macht aktuell auch das Hamburger Team bei ArcelorMittal, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, eine neue Anlage zur Stahlproduktion mit Wasserstoff zu bauen. Grundsätzlich geht es darum, den fossilen Energieträger Erdgas durch regenerativ gewonnenen Wasserstoff bei der Erzeugung von Eisenschwamm abzulösen.


Auf dem Werksgelände von ArcelorMittal in Hamburg soll die neue Anlage entstehen.

Worum geht es genau? Eisen kommt in der Natur praktisch nicht in reiner Form vor, sondern als Eisenoxid. An den Eisenatomen hängen also immer auch Sauerstoffatome, die vor der Stahlherstellung entfernt werden müssen. So wird aus Eisenoxid fast reines Eisen, das den Namen Eisenschwamm trägt und das den Ausgangsstoff für die Stahlherstellung bildet. Um den Sauerstoff vom Eisen zu lösen, nutzt man bisher ein Gemisch aus hauptsächlich Kohlenmonoxid und Wasserstoff, das Reduktionsgas, das aus Erdgas gewonnen wird. Das Reduktionsgas reagiert in einem Schachtofen mit dem Sauerstoff. Dabei entsteht neben dem Eisenschwamm auch CO2. Da CO2 für die Atmosphäre schädlich ist, sucht man seit Jahren nach Alternativen. Aus Laborversuchen weiß man, dass statt Reduktionsgas auch reiner Wasserstoff mit dem Sauerstoff reagieren kann. So könnte ebenfalls Eisenschwamm entstehen. Und das Nebenprodukt hieße dann schlicht Wasser.
Ein solches Verfahren existiert allerdings bisher nur im Labor. Um zu demonstrieren, dass das Verfahren in Form von großindustriellen Anlagen einsetzbar ist, plant man in Hamburg eben jene Pilotanlage. Die soll ab 2024 im Jahr etwa 100.000 Tonnen Eisenschwamm produzieren. Das sind etwa zehn Prozent des Volumens der bestehenden Erdgas-Anlage – eine Demonstration im Maßstab 1:10. Bis dahin ist es allerdings noch ein weiter Weg.
„Wir haben bisher ein Grobkonzept auf dem Tisch gehabt“, erläutert Projektingenieur Dr. Sebastian Gellert. „Das ist bei einer so großen Anlage mit komplett neuer Technologie sehr komplex.“ Jetzt ist man in Hamburg einen Schritt weiter. „Wir sind mit unserem Technologiepartner Midrex jetzt ein gutes Stück in die Details gegangen“, sagt Gellert. „Wir haben also zum Beispiel genau kalkuliert, wie viele Kilometer an Rohrleitungen wir wirklich benötigen, was der Bereich der Elektrik alles umfasst und welchen Aufwand wir für den Anlagenbau wahrscheinlich betreiben müssen. Und wir haben die ersten Midrex-Konzepte überprüft auf die gesetzlichen Anforderungen in Europa.“ Daraus ist jetzt eine erste konkrete Planung entstanden.


Die neue Anlage wird zunächst mit grauem Wasserstoff arbeiten, der aus der bisherigen Anlage ausgegliedert wird und im Prozess sowieso anfällt. „Unsere Vision geht noch weiter. Wir wollen die Stahlproduktion in Hamburg bis 2030 komplett CO2-neutral zu gestalten“, erläutert Dr. Uwe Braun, Geschäftsführer von ArcelorMittal Hamburg. „Dazu benötigen wir allerdings große Mengen an Wasserstoff, der mit erneuerbaren Energien hergestellt ist und der uns preislich nicht überfordert.“
Immerhin: In Hamburg existieren erste Überlegungen zum Bau einer großen Elektrolyseanlage im Hamburger Hafen, die mit der Energie aus den Windkraftanlagen vor der Küste Hamburgs versorgt werden soll. „Diesen grünen Wasserstoff, der dann in direkter Nachbarschaft zu uns produziert würde, könnten wir für die Demonstrationsanlage einsetzen – und in einem zweiten Schritt vielleicht auch für die große Anlage“, meint Braun. Weitere Alternativen sind aus Sicht von ArcelorMittal durchaus denkbar: „Wir sprechen derzeit ebenfalls mit Unternehmen, die die Idee verfolgen, direkt bei uns auf dem Werksgelände eine eigene Wasserstoffproduktion aufzubauen.“ So entsteht – zunächst auf dem Papier – ein Kreislauf, der mittelfristig zu einer komplett grünen Stahlproduktion in Hamburg führen soll.
Da die erste Planung für die Demonstrationsanlage auf dem Tisch liegt, können auch der Genehmigungsantrag für die Umweltbehörden und der Förderantrag beim Bund konkretisiert werden. Da dies viel weitere Detailarbeit erfordert, wird das voraussichtlich bis zum Sommer dauern - sofern die Corona-Krise keine größeren Ausfälle nach sich zieht. Gellert jedenfalls ist nach wie vor begeistert: „Unsere Planungen zeigen, dass diese neue, umweltfreundliche Technologie tatsächlich machbar ist. Unsere Vision vom grünen Stahl wird mit jedem Tag ein kleines Stück greifbarer. Dafür arbeiten wir hier in Hamburg.“