31.01.2022 | ArcelorMittal Deutschland

Energiepreise: Die Stahlindustrie wird zum Lackmustest

Beitrag von André Körner (Country Manager ArcelorMittal Germany)

Energielos? Abgeschlafft? Müde? Das wird in wenigen Wochen die Diagnose der deutschen Industrie sein. Denn das, was wir für unsere Produktion am dringendsten benötigen, wird immer teurer und ist immer weniger vorhanden: Energie.

Für die Zukunft der Stahlherstellung ist es notwendig und richtig, die CO2-Mengen in der Produktion zu reduzieren und fossile Energieträger durch erneuerbare Energien zu ersetzen. Wir als ArcelorMittal Germany sind bereit, in unseren Werken in Hamburg, Bremen, Eisenhüttenstadt und Duisburg dafür Milliardenbeträge zu investieren – die Bundesregierung hat finanzielle Unterstützung zugesagt, aktuell warten wir nur noch auf die Zustimmung aus Brüssel. Die umfassenden Pläne für die Transformation stehen. Neue Technologien, die den Einsatz von Wasserstoff und Erdgas statt Kokskohle erlauben, haben wir in den vergangenen Jahren bereits entwickelt. Doch Industrie wie Privathaushalte leiden unter den derzeitigen hohen Energiepreisen.


Die Energiepreise gehen derzeit durch die Decke (Symbolbild via Shutterstock)


Durch den Umstieg auf Elektrizität als Energiequelle benötigen wir ein Vielfaches der heutigen Strommengen, die wir derzeit autark aus unseren Topgasen gewinnen. Um eine Versorgungssicherheit zu wirtschaftlich vertretbaren Preisen zu erreichen, ist eine Abschaltung konventioneller Atom- und Kohlekraftwerke wirtschaftlich erst dann machbar, wenn die erforderliche Menge Windräder, Solaranlagen und neue Gaskraftwerke zur Absicherung errichtet sind.
Die Folgen der derzeitigen Energiepreise für unsere Standorte, für die damit verbundenen Arbeitsplätze und für die Umsetzung der grünen Transformation sind fatal. Wer umweltfreundlich produziert, Strom und Erdgas nutzt und grünen Wasserstoff plant, ist derzeit nicht wettbewerbsfähig. In unserem Stahlwerk in Hamburg mit seiner DRI-Anlage und dem Elektrolichtbogenofen gibt es deswegen jetzt Kurzarbeit. Die geplanten Milliardeninvestitionen erscheinen fraglich, wenn momentan das Zukunftsmodell der Stahlindustrie abschaltet wird, obwohl die Hochöfen genau durch diese Konfiguration ersetzt werden sollen.

Die grüne Transformation der Stahlindustrie in Deutschland ist nur zu retten, wenn Regierung und Industrie sehr kurzfristig auf die aktuelle Lage reagieren. Die Preise für Strom und für die Brückenenergie Gas, mit der bereits 70 Prozent weniger CO2 freigesetzt werden als mit Kohle, müssen schnellstmöglich normalisiert werden. Wir benötigen den massiven Ausbau grüner Energie für eine mittelfristige Entlastung, aber kurzfristig sollte gesicherte CO2-intensive Kraftwerksleistung nur aus dem Markt gehen, wenn neue umweltfreundliche gesicherte Leistung sie ersetzt. Ansonsten laufen wir Gefahr, die Zukunft von Werken zu riskieren, die sich bereits auf den Weg zu mehr Klimaschutz gemacht haben.
Die Stahlindustrie wird somit zum Lackmustest der Klima- und Energiepolitik der Bundesregierung. Es müssen schnell die richtigen Weichen gestellt werden, um die nächsten Investitionsentscheidungen treffen zu können. Denn nur so können die gesetzten Klimaziele bei gleichzeitiger Absicherung der Beschäftigung bis 2030 erreicht werden.

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