Sieht man es? Oder sieht man es nicht? Das Stahlhaus in Dessau gehört zu den visionären Meisterwerken der Bauhaus-Ära. Mit vorgefertigten und gedämmten Stahlplatten konzipierten und bauten Georg Muche und Richard Paulick Mitte der 1920er Jahre in Dessau ihre Vorstellung einer kostensparenden und hoch flexiblen Architektur.
Außen drei Millimeter dicke Stahlplatten (Flußeisen) mit Rostschutzanstrich, dann eine Dämmung aus speziell aufbereiteten 20 Millimeter dicken Torfplatten gefolgt von 50 Millimeter dicken Platten aus Schlackenbeton, schließlich 10 Millimeter Innenputz. Den Werkstoff Stahl sollte man dabei von außen durchaus erkennen.
„Das vom Dessauer Bauhaus entwickelte Stahlhaus ist ein Pionier der Sandwichbauweise“, merkt Christian
Ahlers an. Er kommt aus Dessau und kennt sich im Stahlbau aus – er ist im Marketing von ArcelorMittal Sandersdorf-Brehna
tätig – dem größten Stahlhersteller der Welt, der in seinem Werk 30 Kilometer südlich von Dessau
gedämmte Stahl-Paneele für Privat- und Industriebauten produziert. Ahlers: „Schon beim Stahlhaus ging es –
wie heute – darum, hochwertig, flexibel, nachhaltig, kostengünstig und schnell zu bauen. Die Idee mit den gedämmten
und industriell vorgefertigten Stahlplatten war ein innovatives Konzept. Mit unseren heutigen gedämmten Sandwich-Paneelen
aus Stahl setzen wir diese Ideen konsequent um.“ Denn als komplett recyclebarer Werkstoff gehört Stahl zu den nachhaltigen
Materialien beim Bau. Die modernen, industriell vorgefertigten Paneele ermöglichen schnelles Bauen. Und mit einem rund
zehnfach höheren Dämmwert als Beton spart man in Zeiten hoher Quadratmeterpreise auch noch Platz und Energiekosten.
Das 1926–1927 in Dessau-Törten errichtete Musterhaus aus Stahl kam den Bauhaus-Idealen mit den Möglichkeiten industrieller Fertigung und der Idee der Einheit von Kunst und Technik bereits sehr nahe. Mit seinem ausbaufähigen Grundriss, seiner kurzen Bauzeit und den standardisierten Stahlplatten war das Haus als Prototyp für die kostengünstige und schnelle Serienproduktion gedacht, den man auch nachträglich erweitern konnte.
„Heute können wir das umsetzen, was sich Muche und Paulick damals gewünscht haben“, freut sich Dr.
Lars Pfeiffer, Chef von ArcelorMittal Construction Deutschland, zu dem das Werk in Brehna gehört. Kämpften die Architekten
damals noch mit Wärmeisolierung und Belüftung, stellen diese Themen bei heutigen Paneelen kein Problem mehr dar.
Mit PIR-Schaum oder Mineralwolle gefüllt sind die vorgefertigten Sandwichelemente im Industrie- und Individualbau immer
mehr gefragt und werden von Unternehmen wie Amazon, Airbus, BMW, DHL, IKEA, Porsche, Volkswagen oder Würth für energieeffiziente
und attraktive Gebäudehüllen eingesetzt. Pfeiffer: „Dank unserer hochmodernen Fertigung können wir uns
heute dem individuellen Bedarf durch unterschiedliche Oberflächenprofilierungen, 150 Farben in 18 verschiedenen Beschichtungen,
zwei Dämmsystemen und Paneel-Dicken von 10 bis 200 Millimetern perfekt anpassen.“
Der Urvater des industriell
vorgefertigten gedämmten Stahlbaus, das Dessauer Stahlhaus, kann heute im Rahmen von Führungen in der Bauhaus-Siedlung
Dessau-Törten besichtigt werden. Das Gegenstück dazu, die modernen stählernen Sandwich-Paneele, sind aktuell
als bunter Geburtstagsgruß an der Ecke zwischen Gropiusallee und Ziebigker Straße in Form eines Bauzauns im Bauhaus-Look
zu besichtigen. „Wir wollten zeigen, wie man die vielfältigen Möglichkeiten der Bauhaus-Idee aus heutiger
Sicht interpretieren kann“, erklärt Pfeiffer.