21.12.2017 | ArcelorMittal Deutschland

Stählerne Zukunft im Autobau

Stahl ist für Autobauer die beste Wahl Jean-Luc Thirion, Leiter Global Research and Development (Entwicklung) für Automotive bei ArcelorMittal, erläutert, warum für die Automobilindustrie Stahl der Rohstoff der Zukunft ist.

Was ist der größte Trend, den Sie für Stahl im Bereich Automobilanwendungen sehen?

Jean-Luc Thirion: Die Gewichtseinsparung ist seit über 20 Jahren das Hauptanliegen für OEMs (Original Equipment Manufacturers/Zulieferer von Originalteilen) zur Reduzierung des Kraftstoffverbrauchs. Der innovative AHSS Stahl von ArcelorMittal entspricht diesen Herausforderungen durch eine signifikante Erhöhung der Zugfestigkeit. Welche potenziellen Gewichtseinsparungen damit verbunden sind, zeigen unsere S-in motion®-Projekte – unsere Antwort auf die Anforderungen der Automobilbranche in Sachen Gewicht- und Kostenreduktion bei gleichzeitigem Sicherheitsversprechen und Komfortanspruch. Zu Beginn des Projektes stand unser Fokus zunächst auf der Entwicklung von Lösungen für C-Segment- Fahrzeuge. Seit dem Start im Jahr 2010 haben wir das Projekt kontinuierlich erweitert und bieten jetzt AHSS-Lösungen für alle Arten von Fahrzeugen an, unter anderen für Pick-Ups, leichte Nutzfahrzeuge, Sportwagen und mittelgroße Limousinen, Elektrofahrzeuge und –so genannte Plug-in Hybrid-Elektrofahrzeuge (PHEV). Um Ihnen ein Beispiel für die Weiterentwicklung zu geben: Beim Honda Civic konnten wir dadurch das Gewicht um 31 kg reduzieren, obwohl er größer ist und eine höhere Steifigkeit als sein Vorgänger aufweist. Wir erweitern die AHSS-Anwendungen zudem auch auf Fahrzeugteile wie Sitze und Türen. Bei Türen sind damit beispielsweise Gewichtseinsparungen von bis zu 20 Prozent erreichbar.

Geht festerer Stahl auf Kosten der Formbarkeit?

Jean-Luc Thirion: Das stimmt zunächst. Aber eine der Möglichkeiten, diesem Problem zu entgehen, ist die Formung Durch Heißprägen. Dabei werden Stahlrohlinge auf etwa 900°C erwärmt und dann in gekühlten Formen abgeschreckt. Dieser so produzierte Stahl hat eine ultra-hohe Festigkeit von mehr als 1500 MPa. Wir sind noch am Anfang der Produktion unserer zweiten Generation von hochfesten Stählen (UHSS), die so hergestellt werden: dem Usibor® 2000 und dem Ductibor® 1000.  Ductibor® 1000 ist ein hochfester, press-härtbarer Stahl (PHS), der eine gute Energieabsorptionskapazität bietet. Typische Anwendungen für Ductibor® 1000 sind Energieabsorptionsteile wie Frontund Heckschienen und untere B-Säulen. Der Stahl erfüllt die für die Automobilindustrie sehr wichtigen Crash-spezifischen-Leistungskriterien bei gleichzeitig geringem Gesamtgewicht – und das zu erschwinglichen Kosten. Usibor® 2000 ist ein mit Aluminium- Silikon beschichtetes PHS. Es ist stärker als sein Vorgänger Usibor® 1500 und ermöglicht es Autoherstellern, Teile mit komplizierten Abmessungen in einer sehr hohen Festigkeit herzustellen. Diese Produkte weisen ein großes Potenzial auf, die herkömmlichen AHSS Stähle, die derzeit mit Gewichtseinsparungen von 10 bis 20 Prozent verwendet werden, zu ersetzen.

Was sind die wichtigsten Vorteile von Stahl für OEMs (Original Equipment Manufacturer)?

Jean-Luc Thirion: Stahl ist eines der wenigen Materialien, das den großen Anforderungen der Autohersteller gerecht wird, bezogen auf Leichtbau, Sicherheit, Kosten, Recyclingfähigkeit und dem CO2-Fußabdruck. Das ist eine Größe, die niedrigere Gesamtemissionen über den Lebenszyklus eines Autos mit einbezieht. Wenn wir wissen wollen, wie grün ein Fahrzeug wirklich ist, müssen wir die Emissionen über den gesamten Lebenszyklus messen. Die Produktionsphase eines Fahrzeugs umfasst fast 20 Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen für Verbrennungsmotoren. Diese Zahl ist für Batterie-Elektrofahrzeuge mit 47 Prozent mehr als doppelt so hoch wie für Verbrennungsmotoren. Kosten sind ein weiterer wichtiger Aspekt für OEMs, sowohl in Bezug auf den Preis des Materials an sich als auch den Kosten über den gesamten Fahrzeugherstellungsprozess. Stahl ist die beste Wahl und bietet die meisten Vorteile: niedrigere Kosten und geringeres Gewicht. Zudem gibt es ein immenses Innovationspotenzial für eine neue Generation an Stahlsorten, die sowohl für Heißprägen als auch für Kaltstanzen geeignet sind und noch mehr Härte bei verbesserter Formbarkeit bieten. Daran arbeiten wir.

Wie wird die projizierte Zunahme der Herstellung von Elektrofahrzeugen und Brennstoffzellenfahrzeugen unser Geschäft beeinflussen?

Jean-Luc Thirion: ArcelorMittal ist aus zwei Gründen gut platziert. Erstens wird bei der Herstellung von Elektroautos Stahl zum Schutz der Batterien benötigt, also mehr Stahl gebraucht. Außerdem ist auch hier Leichtbau Stahl gefragt, den wir anbieten können. So haben wir zum Beispiel bei der Potenzialanalyse des S- in motion® Stahls für PHEV festgestellt, dass wir trotz einer Zunahme von 190 Kilogramm durch das Gewicht des Antriebsstranges und dem zusätzlich notwendigen Schutz für die Batterieummantelung ein Gesamtgewicht der Rohkarosserie von 265 Kilogramm hatten. Das sind nur 10 Kilogramm mehr als bei der Rohkarosserie eines Autos mit Verbrennungsmotor. Unser Forschungs- und Entwicklungs- Team hat zudem eine Reihe von Stählen speziell für die Elektromobilität entwickelt, unsere sogenannte iCARe®-Produktlinie. In diesem Sommer erfolgte die Produkteinführung der zweiten Generation von iCARe®.

Welche Vorteile bringt iCARe® für den Elektrofahrzeugmarkt? Jean-Luc Thirion: Unsere iCARe®-Stähle spiegeln nicht nur den globalen Wandel hin zu einer energie-effizienteren Fahrzeugtechnologie für eine Welt mit weniger Kohlenstoffaustausch, sondern zeigen auch die Vorteile einer nachhaltigen Technologie. So helfen unsere Stähle den Elektro-Automobilherstellern, die CO2-Emissionen zu verringern und den Kraftstoffverbrauch von Hybridfahrzeugen zu reduzieren. Damit wird die Reichweite von Elektrofahrzeugen erhöht und die Gesamtkosten der Elektrifizierung werden gesenkt.

 

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